Die Wirtschaft wurde durch Ereignisse wie die Wiedervereinigung, 9/11, die Dotcom-Krise und die Bankenkrise schon mehrmals durchgerüttelt. Doch was unterscheidet die aktuelle Situation von früheren Krisen? Und waren das überhaupt Krisen? Wir haben darüber mit Karl Kraus gesprochen, einem der Gründerväter der Sanierungsberatung in Deutschland, der in allen genannten Krisen Unternehmen beraten und saniert hat.
Herr Kraus, Sie sind ja nun schon eine ganze Weile am Markt. Ich habe 35 Jahre überschlagen.
Karl Kraus: Seit 1980, um genau zu sein. Ich bin aus dem Fichtel & Sachs-Konzern ausgestiegen und dann zu Berger gewechselt. Im Restrukturierungsgeschäft bin ich seit 1985.
Dann passen die 35 Jahre ganz gut. Das heißt, dass Sie eine ganze Reihe von Krisen mitbekommen haben. Ich beginne bei der Wiedervereinigung, über die
Dotcom-Krise, über 9/11, die Bankenkrise, jetzt die Coronakrise. Mich würde Ihre Sicht auf die Krisen interessieren, vor allem vor dem Hintergrund der Sanierung. Wie würden Sie diese in Bezug auf Sanierung charakterisieren?
Karl Kraus: Herr Geißler, da möchte ich Sie erst mal korrigieren, wenn ich darf?
Ja, natürlich.
Karl Kraus: Ich rede von Restrukturierung. Restrukturierung ist nichts anderes als das Anpassen von Organisationen oder Unternehmen an Veränderungen. Sanierung ist der härtere Schritt der Restrukturierung. Es kommt darauf an, dass Unternehmen sich kontinuierlich an Veränderungen im Markt anpassen. Deshalb rede ich von Restrukturierung. Wenn es ganz böse wird, reden wir über Sanierung. Wenn es hart wird und nicht gut geht, reden wir über Insolvenz. So viel zur Klärung.
Sie sprechen die Wiedervereinigung an: Die Wiedervereinigung war keine Sanierung, aber eine Restrukturierung. Und zwar eine große, weil eine gesamte Volkswirtschaft von der Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft transferiert wurde. Das war eigentlich die Wiedervereinigung. Und wenn Sie an die Unternehmen denken; der Osten hatte damals erhebliche Probleme, weil er bekanntlich nicht wettbewerbsfähig war. Zum Teil auch heute noch nicht überall ist. Das war keine Restrukturierung, sondern ein gigantischer Umbau und davon haben damals die westlichen Teile von Deutschland partizipiert. Es gab plötzlich neue Märkte in der Größenordnung zwischen 16- und 17-Millionen Einwohner. Profitiert haben untere anderen die Automobilindustrie, die Maschinenbauindustrie…
… die Versicherer?
Karl Kraus: Ja. Das war in Summe eine gelungene Restrukturierung oder Transformation. Das waren von daher keine Krisen, wenn wir über Krisen reden.
Auch „Dotcom“ war keine Krise. „Dotcom“ war eine Blase. Eine Internetblase um die Jahrtausendwende. Viele Unternehmen und viele Investoren sind auf diese gelbe große rote Blüte geflogen. Die sind draufgeflogen und die Internetunternehmen haben das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Das hat eigentlich nicht die Industrie oder die Volkswirtschaft getroffen, sondern einige Investoren. Das war also eine Blase, wie die Immobilienblase, die platzte. Ja, das war eine kleine Krise.
Die Bankenkrise war schon eher eine Krise, weil plötzlich das Finanzsystem wackelte. Durch die Zurückhaltung der Banken entstand ein reales Problem. Selbst große Banken, wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank, konnten sich kaum mehr refinanzieren und zusätzlich krachte es auch richtig in den USA. Das hatte aber auf die Operations relativ wenig Einfluss. Zunächst mal heftig, dann aber schnell wieder raus. Weil die Wirtschaft eigentlich weitergelaufen ist.
Und das ist der große Unterschied, wenn wir die Banken-Krise mit der Corona-Krise vergleichen. Corona betrifft die ganze Welt und nicht nur Deutschland. Wir haben nicht nur einen Sektor, der davon stark betroffen ist. Denken Sie an die Luftfahrt-Industrie, mit deren Zulieferern. Die Lufthansa gibt zurzeit eine Auslastung von 20-30 Prozent an. Die Chinesen wollen schon wieder bei 80 Prozent sein. Ob es stimmt, wissen wir nicht.
Die Zuliefer-Industrie, da gibt es eindeutige Studien zu, werden vielleicht erst 2024/2025 wieder bei 80 Prozent sein. Sie werden bis dahin ungefähr ihr Eigenkapital dreimal verbraucht haben. Ich muss Ihnen nicht mehr sagen, was das heißt.
Jetzt denken Sie an den ganzen Tourismus, die Reisebüros, die gesamte Tourismus-Industrie, die daniederliegt. Denken Sie an die Automobilindustrie und deren Zuliefer-Industrien. Das ist sicherlich auch ein hausgemachtes Problem gewesen. Denken Sie an Dieselgate und alles was dazu gehört. Aber: Das wurde durch die Coronakrise noch mal signifikant gesteigert.
Ich habe selbst letztes Jahr in der Medizintechnik ein Unternehmen hinzugekauft. Wir haben das wunderschön hergerichtet und hatten zum Jahresende eine tolle Bilanz. Nun haben wir September. Und ab April stimmte nichts mehr. Im Mai hatten wir einen Auftrags- und Umsatzrückgang von 70 Prozent, im Juni von 60 Prozent und gerade einen von -50 Prozent. Da muss ich Ihnen nicht sagen, was passiert.
Sie haben den Handel nicht erwähnt. Wie ist Ihr Blick auf den Handel?
Karl Kraus: Der Handel ist in einer tiefen Krise. Ich glaube, dass im Handel die breite Mittelschicht in erhebliche Probleme kommen wird. Die Discounter in der Nahversorgung, wie LIDL oder ALDI, werden keine Probleme bekommen. Aber die darüber hinaus liegenden Handelsorganisationen bekommen zunehmend Probleme.
Und wenn wir an die Innenstädte und Leerstände denken, dann kennen wir schon die Nächsten, die Probleme bekommen werden. Das sind die Vermieter, die Eigentümer von Immobilien. Einige Städte regen sich auf, dass Arcandor oder Karstadt Filialen schließen und dadurch Leerstände entstehen. Dann müssen wir einfach unsere Bürger dazu bringen, dass sie dort einkaufen. Dann schließen die auch nicht. Das ist nichts anderes als eine veränderte Kundenmentalität. Dem müssen die Unternehmen sich stellen. Im Zweifel heißt es dann eben Schließung einer oder mehrerer Filialen.
Im Handel haben wir das Problem, dass wir durch den Internethandel, eine längerfristige Umstrukturierung haben. Bei Amazon zu bestellen ist so bequem, dass man sich mittlerweile die Lebensmittel nach Hause schicken lässt.
Die Frage ist, wann kann ich ein Unternehmen noch sanieren und wann muss ich es abwickeln? Sie haben eben den Bereich Touristik erwähnt. Wie lange kann man in den Winterschlaf gehen? Ab welchen Moment muss ich tatsächlich davon ausgehen, dass das Geschäftsmodell nicht mehr zu retten ist?
Karl Kraus: Die Frage ist, ob das Geschäftsmodell noch oder überhaupt nicht mehr zu retten ist. Und wie viel Eigenkapital dafür notwendig ist. Von Fremdfinanzierung wird kein Unternehmen langfristig bestehen können. Ein vernünftiger Unternehmer wird das nicht tun.
Jetzt sind Sie schon gleich bei den Fonds der Bundesrepublik. Wenn dreimal das Eigenkapital verbraucht ist, dann ist die Antwort klar. Wie tief ist das Tal, wie lange dauert es und welche finanziellen Mittel sind notwendig, um ein solches Tal durchzustehen? Und da muss die wirtschaftliche Vernunft einem sagen: Das geht noch oder geht nicht mehr. Es ist natürlich traurig, wenn Unternehmen aus dem Markt ausscheiden, die über mehrere Generationen sehr erfolgreich gearbeitet haben, wo keiner in die Kasse gegriffen hat und wo redliche Familien oder Aktionäre dahinterstanden. Aber, so ist das mit der Umstrukturierung.
Wo kein Markt ist, ist keine Nachfrage und wo keine Nachfrage ist, braucht man auch kein Angebot.
Das heißt, es wird immer vom Markt hergedacht?
Karl Kraus: In jedem Fall. Anders geht es nicht. Wir sind ja hier nicht in der Planwirtschaft. Wobei, langsam kommt man sich so vor, als wenn wir den Weg beschreiten wollen.
Ist das eine versteckte Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung?
Karl Kraus: Zwei Jahre Kurzarbeit kann ja wohl nicht sein.
Da stimme ich Ihnen zu.
Karl Kraus: Tut mir leid. Denken Sie an den heilsamen Prozess von Restrukturierungen, den man damit nur verschiebt.
Wie bewerten Sie denn die Maßnahmen der Bundesregierung?
Karl Kraus: Herr Geißler, ersparen Sie mir darauf die Antwort. Ich bin kein Volkswirt. Aus meiner Sicht tut die Regierung sehr viel für große Unternehmen; für kleine und mittlere Unternehmen relativ wenig. Man kümmert sich vielleicht sogar zu viel um große Unternehmen und für Branchen, bei denen der Anhalteweg eigentlich nicht mehr durchschaubar ist. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung ein paar Praktiker in ihrem Umfeld hätte, was sie im Moment offensichtlich nicht hat.
Wie ist denn Ihr Blick auf den präventiven Restrukturierungsrahmen?
Karl Kraus: Sie meinen den neuen Restrukturierungsrahmen?
Ja. Wie ist Ihre Sicht darauf?
Karl Kraus: Also, jetzt reden wir über genau den Teil der Restrukturierung oder Sanierung. Wie lange kann und sollte man das tun? Denn ich hatte eben gesagt: Wenn die Restrukturierung nicht gelingt, dann kommt irgendwann die Insolvenz. Wir haben mit der Änderung des Insolvenzrechts, der ESUG, vor einigen Jahren die erste Änderung gehabt. Die war aus meiner Sicht sehr sinnvoll. Sie meinen die vorinsolvenzliche Restrukturierung, die zum 1.1. oder 1.4. geplant ist. Ich halte das für ein sehr vernünftiges Verfahren, wenn sogenannte Akkordstörer – und jeder der Restrukturierungen vorinsolvenzlich oder außerhalb der Insolvenz versucht hat, weiß, dass man bislang 100 Prozent Gläubigerzustimmung braucht – durch Mehrheiten überstimmt werden können. Das finde ich richtig und angemessen, dass in solchen Situationen die Mehrheit der Gläubiger entscheidet. Diese können je nach Entscheidung auch ihr eigenes Geld verlieren.
Die Gläubiger werden sicherlich nichts akzeptieren, was nicht auch wirklich langfristig fliegen kann.
Das ist richtig und wird Deutschland weiterbringen. Ich hoffe, dass alle Beteiligte, das gut zum Fliegen bringen.
Sie sind schon eine ganze Weile dabei, wie wir eben festgehalten haben. Wir thematisierten eben die Krisen Wenn Sie auf die 35 Jahre schauen, wie hat sich im Laufe der Jahre die Sanierungsberatung verändert?
Karl Kraus: Wie alt sind Sie? Kennen Sie die Zeit vor 35 Jahren?
Ich bin 1970 geboren.
Karl Kraus: Super, dann könnten Sie über Sanierungen 1975/80 auch aus der Zeitung gelesen haben. Natürlich gab es auch damals Restrukturierungsfälle. Das waren in der Regel Einzelkämpfer. Da gab es Sanierungstruppen,- also Einzelpersonen- die insgesamt aus 10 bis 50 Personen bestanden in Deutschland. Diese sind zum Teil auch heute noch namentlich bekannt. Häufig wurden diese Sanierungen damals durch Gläubiger, sprich den Banken, betrieben und von Einzelkämpfern abgearbeitet. Ich glaube, dass ich der erste war, der dann so ab Mitte der 80er Jahre, gesagt hat:
Das kann nicht sein, das ist eine Teamaufgabe.
Kennen Sie die Beratungslandschaft von damals? Ich bin der Ausbildung und vom Herzen her Stratege und war auch in der strategischen Beratung. Irgendwann kommen dann schwierige Fälle auf einen zu, da sagt man sich: „Na ja, dann machen wir die halt“. Wenn man das dann ein paarmal gemacht hat, dann ist das plötzlich Berufung.
Damals haben wir unseren Kernansatz eingeführt:
„Erstens, es ist immer ein Team, es ist nicht ein Einzelkämpfer. Zweitens, ein Team gemeinsam mit dem Mandanten, mit dem Klienten und drittens, man muss ganz bestimmte Schritte durchlaufen. Keine Restrukturierung, keine Sanierung ohne Strategie.“ Das muss die erste Leitlinie sein. Wenn ich nicht weiß, wo ich hinwill, ist es sinnlos etwas dafür zu tun. Also nach dem Motto, wir erhöhen die Geschwindigkeit, aber wir wissen nicht, wo wir hinwollen. Das geht nicht. Das heißt also, erst muss die Strategie klar sein, dann müssen die Anpassungen und der Umbau relativ rasch durchzogen werden. Und zwar nach dem Motto „time is money“.
Zusätzlich braucht man eine vernünftige Bewertung von der GuV, über die Bilanz, bis hin zur Liquiditätssituation. Und dann muss man noch alle ins Boot holen. Das ist ganz wichtig. Das heißt „open book“ und der Job muss innerhalb von ein bis maximal zwei Jahren zufriedenstellend erledigt sein.
Und, Sie werden es nicht glauben, aber man hat fast immer Erfolg, wenn man so arbeitet. Und ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren mehr als 200 Consultants genau in der Ecke unterwegs. Das waren immer Teams mit sechs bis acht oder zehn Leuten, die tatsächlich sehr viel bewegt haben.
Sie haben das so explizit betont, dass man als Team erfolgreicher ist Ich glaube auch daran, aber warum Sie? Warum war das damals notwendig? Wie haben Sie so ein Team zusammengestellt?
Karl Kraus: Das Team ist in der Regel zusammengesetzt aus Strategen, die in der Branche tiefes Know-how haben und die Branche kennen. Diese werden für das strategische Konzept gebraucht. Danach benötigt man die nicht mehr. Dann werden die Operations-Leute, die Praktiker, die eine Fertigung beurteilen können, die Prozesse beurteilen können und die aufsetzen können, wie man das besser macht, herangezogen. Und dann braucht man drittens die Manager, die dann tatsächlich sagen: „Wir setzen das durch, wir machen das.“ Alle zusammen bilden ein Team.
Man braucht zwischendurch den Finanzier, und man braucht die Beteiligten, die man einbindet und denen man klar erklärt, was man tun will, wofür man es tun will, und was es über die Zeit kostet.
Außerdem muss geklärt werden, wer welchen Beitrag leisten muss, damit das Ganze zur Zufriedenheit von allen am besten funktioniert. Jetzt geht man mit dem Partner los und endet beim Finanzier oder beim Mitarbeiter. Es gibt auch so was – oder gab es -, wie
Mitarbeiterbeiträge, zumindest zu früheren Zeiten. Aber Sie haben ja nach der Historie gefragt.
Ich habe nach der Historie gefragt. Ich habe Sie nur unterbrochen, weil ich das wissen wollte, wie das mit dem Team ist.
Karl Kraus: Nach dieser Phase, die sicherlich so bis 2000 /2003 oder 2005 ging, kamen die Finanzinvestoren. Die sogenannten „Heuschrecken“, die sich im Geschäft breit gemacht haben. Warum? Weil letztendlich über Regulatorik auch unsere klassischen Finanzierer gezwungen wurden, eher mit einem Abschlag zu verkaufen, als schwere Kredite stehen zu lassen. Das ist so, dass war eine wesentliche Triebfeder. Mit den Finanzinvestoren kam das gesamte Thema der Juristen sehr stark auf. Wenn Sie heute in eine Restrukturierung gehen, dann haben Sie eigentlich mehr Juristen um sich sitzen als Leute, die was vom Thema verstehen. Aus meiner Sicht ein Problem, da das viel Geld kostet und eigentlich wenig bringt.
Das ist die Eigenart von Juristen.
Karl Kraus: Ich will nicht über Juristen schimpfen, die sind auch wichtig. Nur bei zwei, drei Finanzinvestoren muss leider der Unternehmer auch noch alle Juristen bezahlen. Das kann durch die hohe Anzahl kostenintensiv werden. Das merkt er zwar erst später, aber er kann ja gar nicht nein sagen.
Das war eigentlich so der letzte große Schritt. Dann kam ESUG als Vorinsolvenz oder als Insolvenzverfahren. Und jetzt kommt wahrscheinlich das neue vorinsolvenzliche Verfahren, mit dem sich hoffentlich viele potenzielle Insolvenzschäden abwenden lassen. Eigentlich zum Wohle aller. Der Gesellschafter, der Kreditgeber, der Mitarbeiter, und allen weiteren Beteiligten, die Teil des Prozesses sind. So viel zur Vergangenheit. Zu Ihrer Frage, was hat sich alles verändert.
Sie hatten in einem Interview, das Thema „Team“ in den Vordergrund gerückt. Sie haben dann aber von Standardisierung gesprochen und Standardisierung kenne ich aus vielen Zusammenhängen, aber in dem Kontext Restrukturierung und Sanierung war es mir noch nicht klar. Was war die Standardisierung, die Sie ab 1985 eingeführt haben, wie lief das ab?
Karl Kraus: Eigentlich habe ich es Ihnen schon erklärt. Der erste Ansatz lautet, keine Restrukturierung ohne Strategie. Ein Restrukturierer hatte vor dem Projekt nie eine Strategie. Das sage ich einfach aus Erfahrung. Da wurden Kosten gesenkt und Liquidität geschaffen. Die vernünftige, strategische Position zur Wettbewerbsfähigkeit war nicht die Frage. Wenn sie einen Restrukturierer gefragt haben: „Wo willst du denn hin? Und wie sieht das denn aus? Und wie viel Volumen willst du machen? Und wie viel Cashflow hast du denn?“, gab es zumindest keine aus dem Markt abgeleitete Strategie. Das kommt einfach, weil ich vom Herzen her Stratege bin.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wenn ich nicht weiß, in welche Richtung es gehen soll, ich auch nicht loslaufen sollte. Ganz klar!
Das zweite war: Ganz klare Vorgaben zu machen. Eine solche Restrukturierung hat folgenden Ablauf: Sie hat je nach Zeit, die einem verbleibt, zwei bis maximal drei Monate, die man als erstes erwirken muss. Das sollte man mit den Gesellschaftern, mit den Gläubigern, mit den Mitarbeitern, immer gemeinsam planen. Heute würde man „Stand Still“ sagen. In dieser Zeit hat das Konzept zu stehen und zwar Gesamthaft. Das war der
zweite Teil. War damals sehr anspruchsvoll, einschließlich einer Strategie, die dazu gehört.
Drittens: 80 bis 90 Prozent der Maßnahmen müssen in weiteren sechs bis neun Monaten entweder umgesetzt oder eingeleitet sein, weil die Erfahrung zeigt, dass ansonsten die Restrukturierung nicht gelingt. Das war auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Viertens muss die Umsetzung vernünftig begleitet werden. Der Druck muss aufrechterhalten werden. Das ist übrigens eine Funktion, die ich heute in Teilen in einem Lenkungsausschuss mit Beratern und anderen Unternehmern wahrnehme. Die Aussage ist: „Wenn wir das nicht erreichen, dann können wir jetzt auch aufstehen und nach Hause gehen.“
Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir das sagen. Mit Nichtstun kann es nicht funktionieren.
Und das Fünfte ist die klare Information an die Beteiligten. Das heißt keine Geheimnisse zu haben. Wissen Sie, der normale Unternehmer sagt, wenn es ihm schlecht geht, ihm geht es gut. Der normale Unternehmer hat nie Probleme. Aber dann kommt auch keine Veränderung.
Wenn Sie aber restrukturieren wollen, dann müssen Sie sagen: „Wir haben ein Problem. Folgendermaßen sieht die Problemlösung aus, so sollten wir jetzt gehen und so viel wird es kosten.“ Bis hin zu den Mitarbeitern klar kommunizieren, wo man hin will. Und letztendlich werden Sie damit auch gewinnen, weil die Mitarbeiter genau verstehen, dass das die Lösung ist. Die tragen das und das ist eigentlich der Erfolgsfaktor. Das heißt, keine Geheimnisse, sondern eine offene Policy. Natürlich nicht jede Information an alle, sondern immer das, was gerade gebraucht wird. Das sind die fünf Eckelemente der Standardisierung. Das haben wir 1991-1993 so angefangen und das hat sich bis heute so gehalten.